Jean-Michel Jarre - Interview by Galore - October 2015
Autor:
Sascha Krüger
Fotos:
Jens Koch
02.07.2015, Hamburg. Bereits vor einigen Wochen hatte Jean-Michel Jarre sein neues Album „Electronica“ in Paris vorgestellt. Die Zeremonie verriet, dass der Mann, der einst ein ganzes Arrondissement als Bühne für seine Live-Aufführung zweckentfremdete, nach wie vor zu den relevantesten Stichwortgebern moderner Musik gehört. Die ungebrochene Begeisterung des Elektronik-Pioniers vermittelt sich auch beim Interviewtermin in Deutschland. Der 67-Jährige erzählt, zwar mit deutlichem Akzent, aber in wohl gesetzten Worten und in fließendem Englisch von seinen Projekten, Ideen und Ansätzen der letzten vier Jahrzehnte. Jarre vergleicht Innovation mit dem Erfinden einer neuen Sprache, insistiert, dass die nächste Revolution bevorsteht, und erklärt, wie ein Musiker, der einst als Studio-Eremit galt, über die Kollaboration eine neue Wahrheit über die Freundschaft fand.
Herr Jarre, Sie gelten als Pionier der elektronischen Musik und Meister des Ambient-Sounds. Woher rührt Ihr ursprüngliches Interesse an der Innovation?
Wahrscheinlich noch von meinem Großvater, einem sehr interessanten Mann. Er spielte Oboe, war aber auch Ingenieur und kreierte zwischen den beiden Weltkriegen die erste Mischpultkonsole für Radiostationen. In gewisser Weise kann man ihn sogar als Großvater des Walkman bezeichnen, denn er erfand auch den ersten mobilen Plattenspieler mit zwei Boxen im Deckel. So stieß ich bereits als kleines Kind auf die Faszination, die durch Innovationen hervorgerufen wird. Als Student traf ich später Francis Dreyfus und Pierre Schaeffer, den Kopf der Musique Concrète-Bewegung. Dadurch wurde ich erstmals Zeuge, wie sich Menschen über Musik in einer völlig anderen Weise unterhielten: nicht in Form von Notation oder Technik, sondern ausschließlich in Form von Klängen und Geräuschen.
War diese Musik damals nur für Sie neu oder stellte sie insgesamt eine neue Bewegung dar?
Es war tatsächlich etwas ganz Neues, quasi die Kinderstube der Avantgarde. Ich kann mich glücklich schätzen, damals mit diesen Menschen verkehrt zu haben, denn sie veränderten für mich die gesamte Wahrnehmung von Musik, wie man sie bis dahin in Europa gehört hatte. Hier wurde eine Klangwelt erschaffen, die allem diametral gegenüberstand, was in den vergangenen 500 Jahren die Musik bestimmt hatte. Danach, das war mir klar, würde Musik nie wieder die gleiche sein. Was mir diese Mentoren von Anfang an mitgaben, war auch, dass elektronische Musik kein Genre bezeichnet, sondern einen neuen Ansatz in Komposition, Produktion und Arrangement, bis hin zum Vertrieb – wie man es gerade in den letzten Jahren verstärkt und in der gesamten Breite erlebt. Nimmt man einmal die ganz traditionellen Musiker aus, die heute noch so klingen wie in den Sechzigerjahren, benutzt unter dieser Definition heutzutage eigentlich jeder die elektronische Musik auf die eine oder andere Weise, und nicht nur die Techno-Musiker.
Source: galore
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